Rezension: Thom Yorke - The Eraser
Thom Yorke - The Eraser
Smi Epc (Sony BMG)
Er verfügt über eine bezaubernd zerbrechliche Stimme, ein Gefühl dafür, welche Klaviertasten es anzuschlagen gilt und rettet seine Songs dennnoch stets vor überschwappendem Pathos. Er heißt Thom Yorke, ist Chef-Melancholiker der Radioheads und er offenbart nach all den Jahren mit den Bandkollegen ein ruhiges Solo-Debut mit Namen "The Eraser". Doch es ist kein Album mit neun separaten Stücken: Es ergibt eine Einheit, einen Fluss, ein in sich geschlossenes System. Den roten Faden bilden minimalistische elektronische Beats, die Thoms gewohnt emotionalen Gesang noch mehr zur Geltung bringen. Anstatt von laut-verzerrten Gitarren markieren hier anorganische Effekte, kleinlaute Keyboardakkorde und ab und an organische Sounds den Charakter von "The Eraser". Dass einige Stücke stilistisch an Fragmente von "Hail to the Thief", Radioheads letztem Coup von 2003, erinnern, ist wahrscheinlich kein Zufall: Beide Alben wurden von Nigel Godrich produziert, arrangiert und womöglich auch maßgebend beeinflusst. Nichts desto trotz möchte man "The Eraser" nur ungern aus der Erinnerung löschen. Und auch Thom dürfte mit seinem Produkt recht zufrieden sein. So plauderte er vor der Veröffentlichung: "Es war lustig und ging schnell, das Album zu machen." Besonders der erste Track auf "The Eraser" prägt sich feinsäuberlich in die Hirnrinde ein. Thoms Stimme schmiegt sich sachte an ein paar Takte auf dem Klavier und einen elektronisch getriebener Rhythmus an, um sich schließlich völlig zu verlieren. In dem hinter spielerischer Melodie verborgenen Liebeslied "Atoms for Peace" ertönen dann plötzlich Zeilen wie "Peel all of your layers off, I want to eat your artichoke heart"; der ewig zu leiden scheinende Thom ergibt sich mit diesen kindlich-liebevollen Worten den süßen Freuden des Liebesglücks.
"Harrowdown Hill" enttarnt - typisch Thom - gar ein politisches Statement. Dort nämlich, bei Harrowdown Hill in Oxfordshire, wurde 2003 der Leichnam des UN-Waffenexperten Dr. David Kelly gefunden. Er hatte kurz vor seinem Tode ein Dossier über Massenvernichtungswaffen im Irak veröffentlicht und damit einen Skandal in Großbritannien ausgelöst. Ob es nun Suizid oder Mord war, weiß auch Thom nicht. "Don't ask me, Ask the ministry". Stattdessen entlässt er den Hörer mit einem Denkanstoß und einem letzten verwirrenden "Cymbal Rush" zurück in eine Welt, in der man garantiert nichts löschen oder ausradieren kann.
17.04.2007 via Online-Musikmagazin audioase.de